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Krippeneingewöhnung – Wie verhalte ich mich als Mutter am Besten

Liebe Vanessa, du bist selbst Mutter, Leiterin einer Krippe und zudem berätst du andere Erzieherinnen in Krippen und Kitas in Hinblick auf ihre pädagogische Arbeit. Du bist also die perfekte Ansprechpartner für mein aktuelles Thema – Eingewöhnung.

Du hattest auch schon ein paar ganz tolle Tipps für mich, über die ich mich gern mit dir unterhalten möchte. Ich nenne nur mal ein paar: „Fragen und Unsicherheiten immer direkt, am besten vorab, klären.“ „Kein schlechtes Gewissen haben, die Kinder merken das“, „Zeit mitbringen!“,„Schon frühzeitig versuchen die Essens- und Schlafenszeiten anzugleichen.“ „Da sein, aber nicht aktiv bespielen.“, „Ruhige Nachmittage einplanen!“

Vieles versuche ich davon einzuhalten. Die Kinder können bei uns glücklicherweise nach Bedarf schlafen, da ausreichend Kinderwagen zur Verfügung stehen und gegessen wird bei uns schon immer um 12 Uhr Mittag. Das passt gut. Die Nachmittage gestalten sich manchmal durch die Großen eher schwierig, aber im Allgemeinen versuche ich eh Nachmittags so wenig Termine wie möglich zu haben.

1.) Dennoch – was ist dein allerwichtigster Tipp für Eltern, die ihr Kind in einer Krippe eingewöhnen?

Also erstmal vielen Dank, dass du mich zu diesem Thema hier zu Wort kommen lässt. Krippenarbeit ist mein Herzensthema und eine gute Krippenzeit gründet auf einer guten und gelungenen Eingewöhnung. Ich freue mich, wenn ich dem ein oder anderen in dieser Hinsicht Tipps geben kann. Mein erster und eigentlich schon essentieller Tipp ist der, dass man sich bitte bewusst und  aus freien Stücken für die Betreuung in einer Krippe/ Kita entscheiden sollte. Mir ist klar, dass viele Gesichtspunkte und Parameter in diese Entscheidung mit reinspielen, aber wer es sich partout nicht vorstellen kann, sein Kind „fremdbetreuen“ zu lassen, tut gut daran, alle anderen Möglichkeiten abzuchecken und zu schauen, ob es keinen Weg oder keine Möglichkeit gibt, mit der die Mutter/ der Vater/ die Familie besser leben kann. Die innere Haltung der Bindungsperson ist sehr häufig ausschlaggebend für die Dauer und den Erfolg der Eingewöhnung. 

2.) Welches Zeitfenster findest du für eine Eingewöhnung von einem Einjährigen angemessen?

Darauf kann ich dir nach bestem Wissen und Gewissen keine Antwort geben. „Einjährige“ sind ja eben auch ganz unterschiedlich eingestellte und aufgestellte Individuen und haben nicht ein spezielles Programm aufgespielt bekommen, demzufolge aus Altersgründen irgendwas nach Schema F läuft. Ich hatte schon Kinder die nach 3 Tagen gefühlt angekommen waren und habe auch schon Eingewöhnung begleitet, die mehrere Monate dauerten. Eltern rate ich trotzdem immer dazu, sich einen Zeitraum von 4 Wochen dafür wirklich freizuhalten (und schon bei der Planung der Elternzeit zu berücksichtigen) und, sollte es länger dauern, auch schon mal grob einen Plan B für 1-2 weitere Wochen im Auge zu haben. Dauert dann die Eingewöhnung nur 2 Wochen ist es auch für den betreuenden Elternteil schön, vor der Rückkehr in den Berufsalltag eine kleine Auszeit für und mit sich selbst zu haben. 

3.) Wie verhalte ich mich als Mama oder auch Papa am besten, wenn ich Anfangs die Zeit bei der sanften Eingewöhnung mit in der Krippe bin?

Die Eingewöhnung dient ja im Grundsatz dazu, dem Kind die Möglichkeit zu geben, sich an die neue Umgebung, die neuen Menschen und im besten Fall auch an seine Bezugserzieherin zu gewöhnen. Eine Zeit des Beziehungsaufbaus also. Notwendig ist dabei für das Kind der sichere Rückhalt seiner Bindungsperson und der Freiraum und die Möglichkeit mit dem/ den Neuen in Kontakt zu treten. Wir Erzieher wünschen uns also von den Eltern in der Regel die Grätsche zwischen „Ich bin für dich da“ und „Schau dich um!“. Im Klartext heisst das: Sitzen und nichts tun! Das Kind nicht aktiv bespielen, aber da sein, wenn es Halt oder Rückversicherung braucht. Nicht Zeitung lesen, sondern beobachten und ggf. motivierend zunicken. Die Eltern und ihr Verhalten sind der Nummer 1 Indikator des Kindes um Gefahrensituationen zu erkennen bzw, einzuschätzen.  Ein häufiger „Fehler“ ist auch oft, dass die abwartenden Eltern sich von anderen Kindern in ein Spiel oder Gespräch verwickeln lassen. Das bringt das eigene Kind meist sehr schnell wieder zurück auf den elterlichen Schoß. Nehmen wir den Blick mal weg vom Kind und wenden uns dem pädagogischen Team zu, kann ich nur dazu raten, Möglichkeiten des Austauschs immer anzunehmen und Unsicherheiten und Fragen immer zeitnah anzusprechen. Eingewöhnung bedeutet auch, dass man die eigene Erfahrung und das Wissen über das eigene Kind zusammen bringt mit der Berufserfahrung und dem pädagogischen Wissen der Erzieher und gemeinsam daraus etwas macht, was am Ende von Erfolg gekrönt sein soll. Oft wird da sinnbildlich davon gesprochen, zwischen Elternhaus und Kita eine Brücke zu bauen, über die das Kind gehen kann.

4.) Der erste Abschied – Kurz und Schmerzlos und eher nebenbei oder lieber fest in Arm nehmen oder ganz bewusst Abschied nehmen? 

Ich sage Eltern gern: Stell dir einfach vor, du willst zum Einkaufen fahren und willst deinem Mann/ deiner Frau kurz Tschüss sagen. Wie machst du das? Mit Kloß im Hals nochmal richtig feste drücken, ihr/ihm deine Liebe beteuern und sich so verabschieden, dass er/sie denkt, deine Rückkehr ist noch fraglich? Es könnte auch ein Abschied für immer sein? Oder einfach bewusst und heiter „Ich fahre kurz einkaufen! Bis später!“ und vielleicht noch eine kurze Berührung am Arm. Wie macht ihr das, wenn das im Alltag mal vorkommt? 

Letztlich baut das auf dem auf, was ich schon in der vorangegangenen Antwort gesagt habe. Das elterliche Verhalten ist ein Indikator für Gefahr. Eltern z.B. die ihr Kind mit Tränen in den Augen verabschieden, verunsichern es stark und dieses Kind ist im Zweifel nicht in der Lage, nach dieser Verunsicherung wieder ins Spiel zu kommen oder sich von der neugewonnenen Beziehungsperson trösten zu lassen. Genau wie ein „Rausschleichen“ ohne Abschied. Beide Szenarien können große Rückschritte in der Eingewöhnung bedeuten oder gar ihr Scheitern bedingen. Darum kann ich Eltern und pädagogischen Teams nur dringendste von dieser Praxis abraten! Der Abschied soll aussagen „Ich hab das hier gecheckt! Hier bist du sicher! Hier kann ich dich lassen und es geht mir gut damit, denn dir wird es gut gehen!“ Wie man das am Ende ausgestaltet, kann jeder persönlich entscheiden. Nur bitte: No Drama!

5.) Wie wichtig ist ein Ritual beim Verabschieden? Sollte ich immer noch mal am Fenster winken oder mich vorbei schleichen, wenn ich mich drinnen schon verabschiedet habe?

Das lässt sich in der Tat schlecht pauschalisieren. Für manche Kinder ist eine am Fenster nochmal winkende Mutter in etwa so, als würde man ihnen ein gerade aufgeklebtes Pflaster mit Schwung wieder abreißen. Andere, die vielleicht schon ewig Geschwisterkinder mit in die Kita bringen und eine solche Abschiedszeremonie kennen, fordern das vielleicht bewusst ein. Für die erste Zeit, also die Eingewöhnung und ein paar Wochen drauf, würde ich, wenn das Kind nicht drauf besteht auf Derartiges verzichten. Wer unsicher ist, wie es seinem Kind denn geht und ob es sich schnell beruhigt hat, fragt lieber mal sein Krippenteam, ob er nicht 10 oder 20 Minuten später mal kurz anrufen darf um die Lage zu checken und sich zu beruhigen.

6.) Wie merke ich, dass mein Kind bereit für einen Krippentag ist und das ich entspannt zur Arbeit fahren kann? Bzw. welche Anzeichen sollte ich ernst nehmen, wenn es tatsächlich sich mit der Situation gar nicht wohl fühlt?

Wann ein Kind bereit für die Krippe ist…. Das ist eine sehr gute Frage, die mich auch oftmals sehr intensiv beschäftigt. Ich glaube jedoch, dass es darauf (wiedermal) keine allgemeingültige Antwort gibt. Das eine sehr früh, das andere vielleicht nie. Die individuelle Einschätzung bleibt dabei völlig in der Hand von Eltern und beteiligten Fachkräften. Wenn Eltern sich jedoch dafür entscheiden, ihr Kind in eine Krippe zugeben, gibt es schon etwas, dass sie tun können um ihrem Kind den Start einfacher zu machen. Dinge wie der Versuch Essenzeiten oder Schlafenszeiten wenn möglich schon im Vorfeld anzupassen. Und Angebote wie Krabbelgruppen in den Kitas, Schnuppertermine und Hausbesuche der Pädagogen unbedingt wahrzunehmen. Das hilft oft schon sehr beim Gelingen einer Eingewöhnung. In der Eingewöhnung sind dann, wie bereits erwähnt, sehr eindringliche Hinweise ein Kind das frei und fernab der Mutter spielen kann, das sich nach der Trennung von einem Mitglied des Teams beruhigen lässt und auch ausgeweitete Trennungen im Krippenalltag gut verarbeitet hat. 

Oft lese ich, dass Eltern das Weinen bei der Verabschiedung als Indikator dafür sehen, dass ihr Kind sich nicht wohlfühlt oder eben noch nicht bereit dafür ist. Ich als pädagogische Fachkraft sehe in diesem „Trennungsprotest“ kein Problem, sondern ein völlig normales im menschlichen Kleinkind festgelegtes Verhaltensmuster. Wenn die für mein Überleben verantwortliche Bindungsperson mich verlässt, mache ich auf mich aufmerksam. Das kann z.B. durch Weinen oder das sogenannte Anklammern passieren und ist per se erstmal kein Zeichen dafür, dass das Kind seine Krippe hasst oder mit der Situation überfordert ist. Wichtig ist dabei, dass das Kind niemals dauerhaft weinen sollte und es innerhalb des Systems Krippe jemanden geben muss, zu dem die Beziehung des Kindes so gut ist, dass es sich trösten und beruhigen lässt um dann wieder ins Spiel oder ins Entdecken zu kommen. 

Bei einem Kind das sich nicht beruhigen lässt muss unbedingt geschaut werden, wo der Hase im Pfeffer liegt. Manchmal versucht auch einfach nur die falsche Erzieherin/ der falsche Erzieher zu trösten. Manchmal ist auch mehr daran. Man kann generell sagen, wenn ein Kind auffällige Verhaltensänderungen oder Entwicklungsrückschritte zeigt, wenn es unglücklich, gar lethargisch wirkt oder z.B. Nahrungsaufnahme verweigert, muss unbedingt sensibel in alle Richtungen im Umfeld und Alltag des Kindes geschaut werden, wo die mögliche Ursache liegt. Und dazu gehört dann eben auch die Krippe oder Kita. Aber die „Top 5 Anzeichen an denen sie erkennen können, dass ihr Kind seine Kita hasst“ gibt es nicht. Wüsste ich zumindest nicht. 

Danke, liebe Vanessa für all die Tipps, das hat mir sehr weitergeholfen und ich denke wir sind auf einem guten Weg. Zudem beruhigt es mich sehr, dass es in Ordnung ist, wenn die Kleinen beim Abschied weinen, wenn sie sich aber beruhigen lassen von den Erzieherinnen trotzdem alles ok. So ist es nämlich aktuell bei uns. Ich werde mir deine Tipps auf jeden Fall zu Herzen nehmen und mich nicht weiter von den anderen Kindern um den Finger wickeln lassen, die gern wollen, dass ich Bücher vorlese.

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